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Nutze deine Knochen!

Skelett

Es ist vielleicht für viele nicht auf den ersten Blick verständlich, wie sehr wirksame, elegante und ausdrucksstarke Bewegung mit den Knochen zu tun hat. Das Skelett ist tief in uns verborgen und wir wissen wenig darüber. Obwohl wir alle eines haben, schrecken wir im Allgemeinen vor seiner Gestalt zurück. Das „Knochengerüst“ steht für Tod, Krankheit und Gefahr, es lässt an Geisterbahnen, Halloween und Gruselfilme denken. So kommt es, dass wir seinen eigentlichen Nutzen verkennen und vernachlässigen! Darüber hinaus leben wir in einer Gesellschaft, in der tendenziell die Muskeln angebetet werden. Fitness wird gleichgesetzt mit Work-out, Krafttraining, Waschbrettbauch und so fort. Aber eigentlich dienen die Muskeln lediglich dazu, die Knochen zu bewegen! Wenn wir uns einen Körper ohne Knochen vorstellen würden, käme nicht viel mehr als ein unförmiger Gewebeklumpen ohne Form und Funktion heraus.

Das Skelett ist die tiefste und stabilste Struktur in unserem Organismus. Es gibt dem Körper Form und liefert ein Modell unserer Bewegungsmöglichkeiten, indem es uns zeigt, wo wir uns in welchem Ausmaß bewegen können. Außerdem trägt es unser Gewicht und erlaubt uns, Kraft von einer Stelle zu einer anderen zu übermitteln. Wenn wir beispielsweise einen schweren Gegenstand schieben, gelingt dies nur weil wir mit den Füßen gegen den Boden drücken und die Kraft durch unsere Knochen an die richtige Stelle leiten. Die Kraft reist buchstäblich wie auf Eisenbahnschienen durch das Skelett. Jedes Mal, wenn wir uns bewegen, generieren wir Kräfte, die auf diesen skelettalen Geleisen durch uns hindurch geleitet werden. Selbst wenn wir uns nicht aktiv bewegen hängen wir von diesem Phänomen ab: Die Schwerkraft drückt durch das Skelett hinunter in den Boden, und in der Gegenbewegung richtet uns das Skelett gegen die Schwerkraft auf. Wenn unsere Knochen richtig ausgerichtet sind, nutzen wir die sogenannte Boden-Reaktionskraft optimal aus und die Anti-Gravitationsmuskeln, arbeiten, ohne zu ermüden. Diese Art der Kraftübertragung ist auch in Aktion, wenn wir eine Tür öffnen, die Schuhe ausziehen oder eine Tasse aus dem Regal nehmen.

Wir tendieren dazu, die Funktion unserer Knochen zu wenig oder zu ungeschickt in Anspruch zu nehmen. Was wir hingegen meist überbeanspruchen, sind unsere Muskeln! Wenn wir aufgrund unserer Gewohnheiten zu viel Arbeit mit den Muskeln übernehmen, wird die Kraft nicht durch den Körper hindurch geleitet sondern gestaut – was auf Dauer beträchtliche Konsequenzen haben kann. In Feldenkrais-Stunden können wir unsere muskulären Gewohnheiten dekonstruieren und als Resultat erleben wir uns „skelettaler“! Ideale Bewegung würde bedeuten, dass die Muskeln sowenig Arbeit wie möglich ausführen müssen, um die Knochen zu bewegen und die Knochen den größtmöglichen Teil des Gewichtes tragen. Daraus ergibt sich auch ein neurologischer Effekt: Wenn unsere Muskeln weniger arbeiten und die Knochen ihrer Bestimmung besser nachkommen können, wird das Gehirn frei für andere Aktivitäten! Wir fühlen uns ruhiger, ohne schläfrig zu sein und wir werden zugleich stabiler und beweglicher!

Im Tagesworkshop „Nutze deine Knochen!“ werden wir auf verschiedene Arten untersuchen, wie Kraft durch uns hindurch geleitet wird und wie wir diese Kraft nutzen können, um uns das Leben leichter zu machen!

Mehr Infos und die Möglichkeit, sich anzumelden gibt es unter www.cordoror.d

Befreundet mit sich selbst

Die Schriftstellerin Christa Wolf beschreibt in ihrem Buch »Ein Tag im Jahr« die Wirkung von Feldenkrais-Stunden sehr treffend mit einem Gefühl des Befreundet Seins und des Einverständnisses mit sich selbst.

 Im Alltag achten wir meist kaum auf die subtileren Empfindungen und Rückmeldungen unseres Körpers. Im Gegenteil — derlei Befindlichkeiten sind uns hinderlich oder gar ein Ärgernis und wir unterdrücken oder ignorieren sie. Der Körper ist uns meist nicht mehr als ein notwendiges Werkzeug, das uns zu Diensten sein soll. Wir sind uns selbst gegenüber oft viel strenger und fordernder, als wir es gegenüber einem Freund jemals sein würden.

Bei Feldenkrais geht es um einen anderen Umgang mit sich selbst. Anhand von präzisen, spielerisch durchgeführten Experimenten studieren die Teilnehmenden ihre persönliche Bewegungsroutine und lernen schrittweise neue Bewegungsqualitäten kennen. Dabei steht die Suche nach einem angemessenen Kraftgebrauch und die Entdeckung von mehr Leichtigkeit, Geschmeidigkeit sowie erstaunlicher Feinheiten bei jeder noch so einfachen körperlichen Handlung im Vordergrund.

„Was mich an Feldenkrais‘ Art, den Menschen zu sehen, besonders fesselt, ist sein Ansatz. Nicht Ratio oder Willensstärke, nicht Gewalt in irgendeinem noch so weit gefassten Sinn, auch nicht »Selbstbeherrschung« hält er für den Schlüssel zur Heilung der grundlegenden Schäden, an denen der moderne Mensch krankt, sondern ein Umlernen des falsch Gelernten, Angewöhnten und Eingetrimmten, das bei Körperhaltungen und -bewegungen anfängt und beim rein einseitigen Vernunftdenken (noch nicht) aufhört.“ (Christa Wolf, »Ein Tag im Jahr«)