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Feldenkrais und Butoh

Im Rahmen von „Butoh Bodies – Festival für Körper, Leiber und Figuren“ im Lindenfels Westflügel, biete ich einen Feldenkrais-Workshop an, in welchem die Wurzeln von Präsenz, Ausdruckskraft und künstlerischem Antrieb untersucht werden. Aus intensiver, eigener Erfahrung mit Butoh-Tanz und Feldenkrais erkenne ich teilweise eine enge Verwandtschaft in den zugrundeliegenden Prinzipien dieser beiden scheinbar so unterschiedlichen Disziplinen und sehe viele Möglichkeiten, wie Feldenkrais-Stunden zum Butoh-Tanz hinführen können.

Butoh als Initialzündung

Als junger Schauspieler führte mich mein erstes Engagement 1992 ans Junge Theater Göttingen, wo Tadashi Endo – Butoh-Tänzer und Schüler von Kazuo Ohno – einige Zeit das Körpertraining für die Schauspieler leitete. Mich faszinierte diese sehr ursprüngliche, kreatürliche Tanzform sofort. Bald begann ich mich, intensiver mit Butoh zu beschäftigen und besuchte Workshops und Intensivtrainings bei Tadashi Endo und anderen Butohtänzern, wie Akira Kasai, Ko Murobushi und Anzu Furukawa. Schließlich spielte ich unter der Regie/Choreographie von Tadashi Endo 1995 am Jungen Theater die Titelfigur in der Tanztheater-Produktion „Minotaurus“ nach dem gleichnamigen Libretto von Friedrich Dürrenmatt.

Es war nicht zuletzt diese intensive Begegnung mit dem Butoh-Tanz, die mich später zur Feldenkrais-Methode führte. Auch wenn auf den ersten Blick Welten zwischen diesen beiden Disziplinen zu liegen scheinen, so haben sie für mich auf einer grundsätzlichen Ebene viele Gemeinsamkeiten. Während Butoh als sehr radikale, avantgardistische Tanzform bekannt wurde, assoziieren viele Leute mit der Feldenkrais-Methode eher einen therapeutischen Kontext. Nur wenige wissen, dass die Wurzeln der Feldenkrais-Methode bei den fernöstlichen Kampfkünsten liegen und Feldenkrais sich an den selben Prinzipien für Bewegung und Handlung orientiert wie z.B. Judo oder Aikido. Im Grunde genommen ist Feldenkrais eine fundamentale Bewegungs-Lernmethode, die es erlaubt, die Infrastruktur der Bewegungs- und Ausdrucksfähigkeit schlechthin zu schulen und zu fördern. Bei den grundlegenden Gesetzmäßigkeiten menschlicher Bewegungsfähigkeit liegt auch die Verbindung zum Butoh-Tanz. Beide gehen von der Einheit des Körpers und des Geistes aus. Wahrnehmung, Gefühle, Gedanken und Bewegung sind immer nur verschiedene Aspekte eines unteilbaren Lebens-Körpers, der handelt, spricht oder eben tanzt. Sowohl im Butoh als auch in der Feldenkrais-Methode spielt die Auseinandersetzung mit der Schwerkraft, die Erfahrung der Körpermitte (Tanden), die Imagination und die intensive, achtsame Präsenz im Hier und Jetzt eine bedeutende Rolle.

Für Schauspielerinnen und Schauspieler ebenso wie für Tänzerinnen und Tänzer ist der eigene Körper das wichtigste Ausdrucksmittel, das eigentliche Instrument ihrer Kunst. Daher ist es für alle, die auf einer Bühne agieren von größter Bedeutung, sich selbst und damit die eigenen körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten tiefgreifend zu studieren sowie zu lernen, dem, was sie zu sagen haben, Lebendigkeit, authentische Kraft und Unverwechselbarkeit zu verleihen.

Mir selbst eröffneten zunächst das Butoh-Training und später die Feldenkrais-Methode die geeignetsten Möglichkeiten und Ansatzpunkte bei der Suche nach einem Training, das hilft, eine möglichst neutrale aber präsente und durchlässige Grundstimmung zu erreichen. Als Schauspieler und Feldenkrais-Lehrer erfahre ich tagtäglich, welch enormen Effekt die Feldenkrais-Methode auf Körpergefühl, Koordination, Kreativität und Zusammenspiel hat und wie sehr sie die Authentizität fördert. Sie ist ein hervorragendes Werkzeug, um sich im Spannungsfeld zwischen eigener Persönlichkeit, den Anforderungen der Rolle und der künstlerischen Arbeitsweise zu orientieren.